Gestern hätte ich noch als Handmodel unendlich viel Geld verdienen können, heute bohrt sich der Nagel meines Zeigefingers immer tiefer in das Fleisch meines Daumens.
Und zwischen all dem selbstzugefügten Schmerz, alte dicke Männer in Anzügen, grau, blau, schwarz, Nadelstreifen. Und weniger dicke, weniger alte Männer. Weniger grau, blau, schwarz, Nadelstreifen. Alle darum buhlend, wer wichtiger ist.
„Wissen Sie eigentlich wer ich bin?“
„Nein, weiß ich nicht und ist mir eigentlich auch egal, wie ein Roboter mit Senf. Aber gut zu wissen, dass Sie eines der höchsten Tiere, einer der wichtigsten Konzerne der Welt sind. Bin ich froh, dass Sie das nicht raushängen lassen.“
Und zwischen all den statussymboltragenden Pinguinen wirken die Aushilfs-Hipster in ihren Anzügen, wie Vogelscheuchen auf dem Feld. Stocksteif mit zerzaustem Scheitel.
Wie viel Geld das ganze Spektakel hier wieder kostet, müsst ihr Bombardier fragen. Die haben den Großteil des Spaßes ja bezahlt und tragen deshalb ehrenvollerweise den Namen „Diamant-Sponsor“. Was kommt denn nach den Diamanten?
Und wieso zur Hölle, wenn ihr doch alle Meister des Transports seid, wisst ihr nicht, wie ihr am dümmsten euer Gepäck nach Hause transportiert und fragt mich gefühlte 100 Mal am Tag, ob ich DHL für euch kontaktieren kann, damit eure Köfferchen und Beautycases heil nach Hause schippern?
Aber ich will ja nichts verallgemeinern. Der Großteil von euch ist aufgeblasen nett, ein kleinerer Teil regelrecht freundlich und manche womöglich ausgesprochen witzig. Ihr lacht sogar über den Kollegen, der im Fahrstuhl feststeckt und macht Fotos von der beklemmenden Situation. Da bekomme ich fast Lust zum Snack-Stand zu spazieren, uns ein Bier zu kaufen und mit euch laut klirrend anzustoßen. Ach nee, Halt, wartet! Am Snack-Stand gibts nur Kaffee und Kuchen.
Und überhaupt würde ich die Hälfte von euch unter den Tisch trinken (ich, weiß, nichts, worauf man zwangsweise stolz sein sollte.), bis auf diejenigen eurerseits, die mit hochrotem Bluthochdruck-Raucher und Alkoholiker Kopf durch die Gegend watscheln.
Es klingt ganz so, als wäre ich verbittert. Aber nein, ganz im Gegenteil, ich habe hier sogar Freunde gefunden, die mich regelmäßig besuchen an meinem Pult und sich gemeinsam mit mir darüber lustig machen, wie wenig ich doch zu tun habe, um mir die Zeit zu vertreiben und ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Trotzdem scheine ich vor Einsamkeit und Isolation paranoid zu werden, bilde mir ein, dass die Konkurrenz, die eigentlich keine ist, meine von Zeit zu Zeit stattfindenden Abschweife an die Chefetage weiterfunkt. Immer dann steht mir die Angst ins Gesicht geschrieben. Angst davor, hier nie wieder auszuhelfen, Angst vorm Versagen. Immer dann schiebe ich Stift und Blattpapier beiseite, blicke aufmerksam in den Raum und tue so, als hätte ich die letzten 5 1/2 Stunden nichts anderes getan.
In Wahrheit ist es statt Angst wahrscheinlich ein verborgener Wunsch danach, diese Uniform nie wieder tragen zu müssen, in der man sich früher gefühlt hat wie die Chef-Stewardess auf Flug MH370 und mit Verstreichen der Stunden immer mehr wie Mc-Donalds Personal.
Ich bereite mich auf den Toilettengang vor. Tampon heimlich aus dem Rucksack versteckt hinterm Pult in meinen Schuh gleiten lassen, denn beim Kostüm hats nicht mal für echte Taschen gereicht. Wie also sonst den verräterischen Wattestöpsel an den Ministern, Nicht-Ministern und deren aller Arschkriecher vorbeischmuggeln?
Hände desinfizieren nicht vergessen! Wer weiß welche Keime ihr Schlawiner mit euch rumschleppt!? Ich als Profi-Hypochonder lasse es also auf nix ankommen.
Schnell noch nen Kaffee holen, damit der Blähbauch wächst und die Hose noch ein bisschen besser sitzt, denn die Arsch- und Titten-Konkurrenz schläft auch hier nicht.
Auf 12 cm läufts bei manchen Ladies nicht so gut, bei anderen dafür umso besser. Lippenstift und Föhnfrisur wohin das Auge reicht, sogar auf den Zähnen. Dadurch wirken die meisten von euch nur wie hübsche Porzellanpüppchen aus dem Spielzeugladen, anstatt wie ernstzunehmende und ebenbürtige Pinguin-Verhandlungs-Partner.
Nichts für ungut Leute, ich bin euch dankbar, dass ihr mich so inspiriert und ich mit Schreiben gerade 8,50 € pro Stunde verdiene. Ich verbleibe also mit einem Lächeln im Gesicht und blicke dabei meiner Lieblingsvogelscheuche hinterher.
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