Maybegenerationmaybe
Lebensgefühl
Blickwinkel

Vom Drang nach Mehr

Die Wellen schlagen in den Sand, nehmen ihn mit, tragen ihn fort, holen ihn wieder vor und türmen ihn auf. So wie die Sorgen. Das Meer lehrt mich Demut und die Weite dieser Welt – mit all ihren Möglichkeiten.

Ich will jede dieser Möglichkeiten nutzen, alles erleben, jedes Postkartenmotiv in mich aufnehmen. In diesem ständigen Wunsch nach Mehr, verliere ich jedoch das Wichtigste: die Schönheit des Moments. Ich schaue dem Mann neben mir in seine braunen Augen – ein Braun, dessen Tiefe man in der Farbwelt dieser Sonneninsel nirgends findet. Eher in den Wäldern Kanadas – die habe ich allerdings noch nie gesehen. Aber wer hetzt mich auch, wenn ich doch jeden Tag diese Weite in der Tiefe seines Blicks finde?

Trotzdem bleibt das Gefühl des Nicht-genug-Seins. Meine Timeline im verfluchten, immer schneller berichtenden Facebook ist voll beneidenswerter Menschen: der Weltenbummler auf dem Jakobsweg, die Surferin mit dem Koala im Arm. Die Schöne auf der Palme in Thailand, der Erfolgreiche im Praktikum in New York, die Schlaue im Auslandssemester in England, die Kulturelle auf dem Roller in Indien und die Lebensfrohe tanzend auf den Straßen von Rio. Alle schlank, schön, strahlend und stark- ein Spiegel der Generation Y? Maybe Baby, but maybe not.

Ich frage mich, ob diese Momente erfüllt sind von dem Glück, das sie darstellen; oder von dem Gedanken der perfekten Inszenierung? Die Inszenierung nimmt den Momenten ihre Kraft und reduziert die Chance auf eine vollkommene, die Seele einnehmende Erinnerung auf ein Foto, das dazu genutzt wird den neidischen Anderen vor den Bildschirmen ein Lebensgefühl vorzugaukeln. Lebensgefühl erfordert Gefühl und Gefühle sind nur möglich, wenn man sich dem Leben hingibt. Ohne Linse, ohne Pose, ohne dem Drang nach Selbstdarstellung. Wir sollten aufhören uns selbst zu jagen. Aufhören wegzurennen vor der Möglichkeit stehen zu bleiben.

Einfach Mensch sein. Was macht dich wirklich glücklich?

Morgens aufzuwachen in der wohligen Wärme, die aus der Nacht geblieben ist, in dem Wissen dich noch länger in ihr wiegen zu dürfen? Das Gefühl, wenn die Beine pochen, weil du am Tag 30 km gelaufen bist und dich ständig selbst überwunden hast? Das Prickeln auf der Haut, wenn du bei 35 Grad in die kühlen, tobenden Wellen springst? Der Bass, der deine Brust massiert bis dein Herzschlag eins mit der Musik wird? Der Stolz der dich erfüllt, wenn du erfolgreich bist, indem du tust was du liebst? Der Wind, der sich in deinem Haar verfängt und dir das Gefühl von Freiheit schenkt? Die Liebe in dem Blick des Menschen mit dem du deine Geschichte erlebst? Oder die Selbstliebe, die du spürst, wenn du dich endlich selbst wahrnimmst? Es ist nicht möglich, all dies in einem Foto einzufangen – also hört auf es zu versuchen.

 

 

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