Ich griff in die linke Tasche meiner zerfetzten Hose, fühlte die Initialien, mit 160 kleinen Stichen aufgestickt. Ich wollte sie wegschnäuzen, diese Kriegsmahnmale, doch hielt inne, entdeckte Blut an meinen Knien, die wie Pfannkuchen, aus denen Marmelade tropfte, so weich an meinen Beinen hingen.
„Stimmt.“, dachte ich. Ich war gestürzt, hatte mir, auf die Knie fallend, die Arme um den Kopf gekrallt, als die Bombe vom Himmel schwebte. Ich spähte durch die Armlücke. Der Pilot winkte mir noch freundlich zu. Ich hoffte sehr, er nahm es mir nicht übel, doch ich hatte ja nun keine Hand frei, um zurückzuwinken. Jetzt steckten sie rasierklingentief in meinen Armen, die Bombensplitter, jedoch nicht in meinem Kopf.
Statt zu schnäuzen, tupfte ich Blutrinnsale weg und schaute den Trümmerfrauen zu. Stein für Stein schleppten sie an den Rand, von dem wir alle wussten, dass er mal eine Straße war, als hofften sie, unter all dem Schutt noch irgendetwas zu finden.
Mein Vertrauen, meine Geborgenheit lagen unter den Ruinen meines Wohnhauses begraben. Falls sie sie fänden, würde ich ihnen eine Mark in die Hand drücken. Finderlohn. Ob sie sich so den Lebensunterhalt verdienten, den ihre im Krieg verschollenen Männer nie wieder verdienen würden, indem sie die verschütteten Gefühle fremder Menschen aus den Trümmern schälten?
Die Luft war voller Sehnsuchtspartikel, die an den geblümten Tapetenbahnen fremder Wohnzimmer kleben blieben, durch die Zerstörung freigesetzt und beim Ausschütteln des Staubwedels zum Fenster heimlich hereingeschwebt.
„Na toll!“, denke ich. Jetzt atmen wir sie alle ein, diese herzzerreißende Sehnsucht.
Und irgendwann sind wir es, die einen neuen Krieg heraufbeschwören, mit neuer Zerstörung, neuer Sehnsucht und neuer Luft, deren Einatmen so schwer fällt, weil zu viel Schmerz darin schwebt.
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