Du warst immer schon da. Als es im Kindergarten Erbsen mit Fischstäbchen gab, haben wir die Erbsen verweigert. Als die Jungs noch doof waren, haben wir trotzdem mit Kreide auf dem Schulhof gemalt. Als auf der ersten Klassenfahrt Briefe durch den Türschlitz geschoben wurden, hat’s uns nicht interessiert. Du warst immer schon da. Nach dem Abi trennten sich die Wege. Die Klausuren ziehen vorbei, die Städte ändern sich, Menschen kommen und gehen. Du warst schon immer da.
Wenn ich dann zu Weihnachten in einer Mitfahrgelegenheit gen Heimat fuhr, wusste ich, wir werden uns sehen. Reden über alte Zeiten, über das Leben, über Geschichten, über das Kreide malen. Sieben Stunden vergehen, der Glühwein wärmt, und es fühlt sich wie immer an. Denn du warst schon immer da.
Zurück in der Studentenbutze geht das Leben fern voneinander weiter. Putzpläne, Bewerbungen, Bierchen, Tanzen, Liebe, Ziele, Zähneputzen. Alle Monate wieder schreib ich dir, du antwortest ein einziges Mal, dann nicht wieder, bis ich Monate später zum nächsten mal schreibe. Doch das macht nichts, denn du warst schon immer da.
Wir sind erwachsen geworden und doch dieselben. Du warst schon immer schön, strahlend, spaßig und schlau. Immer schon ein Schritt entfernt. Ich hab versucht dich zu greifen und zu halten. Doch du lässt dich nicht greifen, nicht begreifen. Wie kann es sein, dass diese Verbindung besteht, Zeit miteinander wie im Flug vergeht, aber dein Wesen nicht bleiben kann, sondern flattern muss, ohne Verbindlichkeit, weit hinaus, weit entfernt. Du bist nie an einem Ort, bleibst nie auf einem Weg – so bist du einer dieser Menschen, von dem man das Stück nimmt, was er einem gibt, die Energie in sich aufnimmt. Du gehst und ich bleibe ein bisschen verärgert zurück aber nur ein bisschen, weil du flattern musst und wiederkommst – denn du warst schon immer da.
No Comments