Alles schlief, doch einsam waren wir nicht. Draußen prasselte der Regen. Es würde also keine weißen Weihnachten geben.
23:54 Uhr, 23.12.2012.
Du sagtest du würdest jetzt gehen und wünschtest mir frohe Weihnachten. Die üblichen Weihnachtsfloskeln schwebten im Raum umher, wie Glühwürmchen, die aus einem Sommernachtstraum entwischt waren, völlig orientierungslos.
„Du könntest auch hier bleiben.“, sagte ich. Mit dem Fahrrad würdest du ohnehin klitschnass werden.
„Das wäre kein Problem.“, sagtest du. Du mögest Regen ja.
Du ziertest dich aus Anstand. In Gedanken warst du wahrscheinlich bei ihr. Ein kurzer Blick und wir beide wussten, du würdest bleiben.
„Wenn es keine Umstände machen würde.“, sagtest du. Du führest auch ganz zeitig am Morgen heim, sagtest du. Im Hintergrund lief Built to Spill mit Liar. Waren wir Lügner? Diese Frage stellte ich mir in diesen Tagen sehr oft. Belogen wir nicht nur Andere, sondern vor allem uns selber?
Der Rauch zog neblige Schwaden durch die rote Küche und du nipptest am letzten Rest Rotwein, während ich mich seit langem mal wieder geborgen fühlte.
Wie du das nur machst, habe ich nie herausgefunden, bis heute nicht.
Draußen strahlten die weihnachtlichen Lichterketten, sie symbolisierten die Zeit der Liebe und fürsorglichen Wärme. Wir lagen dicht beieinander und endlich spürte ich es auch, ich hatte das Gefühl es sei Weihnachten. Wir bebten und taten kein Auge zu. Innerlich zerrissen, vom Wollen und Sehnen, der Angst vor dem was kommt, dem Morgen danach.
Wir hätten ein schlechtes Timing, sagtest du bei einer Zigarette sitzend. „Eines Tages vielleicht.“, hoffte ich. „Wer weiß, wer weiß.“, sagtest du und blicktest ins Leere. Abgedroschene Sprüche, wie: Alte Liebe rostet nicht. Schwirrten mir durch den Kopf. Unwahr, dachte ich, denn ich hatte schon so oft mit dem Spachtel dagestanden und vorsichtig die roten, rostigen Partikel, die die Zeit so mit sich bringt von dir herunter gekratzt.
Du schautest mir beim Schlafen zu. Die ganze Nacht. Es war Weihnachten. In wenigen Stunden würden wir in unseren Familien sitzen, mit dem feinsten Festtags-Fassaden-Lächeln. Äußerlich der froheste Mensch auf Erden, doch innerlich ein zerberstendes Schiff auf tobender See.
Ich habe nie verstanden, wie du ihr das antun konntest, bis heute nicht.
Ich habe nie verstanden, wie du mir das antun konntest, bis heute nicht.
Ich bin nie ganz über dich hinweg gekommen, bis heute nicht.
Nun sitze ich hier, in diesem Kreuzberger Café, es ist bald wieder Weihnachten, als du mit schneebedeckter Kapuze durchs Fenster schaust und mir tief in die Augen blickst.
No Comments