Maybegenerationmaybe
Blickwinkel

Don’t be a maybe

Berlin, denke ich, ist doch inzwischen echt überall.
Hat Filialen aufgemacht und ich hab mich dafür rausgeputzt in meinen feinsten Kleidern, gebe mir alle Mühe, mir die Marke Individualität möglichst erkenntlich aufzusetzen und mich im Hang zum Auffallen immer wieder selbst zu überbieten.
Ich, einer der verwunschenen Paradiesvögel, die in alle Richtungen ausschwärmen und sich nur niederlassen, um herumzuflattern und ironisch zu schnattern, ein wilder dissonanter Chor in gleichgeschaltetem Einzigartigkeitswahn.
Im Sommer ziehen die Zugvögel in kalte Gefilde. Too cool to care, wie sich hier die Eisprinzessinnen und Schneekönige gegenseitig desinteressiert ihre Interessen präsentieren, in der Suche und Sucht nach dem nächsten Overkill, der aufgemachten Möglichkeit, sich selbst kurz in den Fokus zu rücken, vor die Linse des allsehenden Auges zu springen, bis das Objektiv kracht.
Schöne Menschen sind auf unseren Fotografien, doch was wissen wir noch von Schönheit? Wir haben verlernt zu schwärmen, weil es sich nicht gehört und wer hört denn dann noch zu? Schwarmintelligenz hat uns gelehrt, dass die Fassadenpolitur mit Abgeklärtheit eingerührt wird. Wie gebildet wir sind, wie kosmopolitisch, wie engagiert, geschäftig und beschäftigt.
Hedonistinnen und Hedonisten, aber sowas von zur Stelle, auch wenn der Kopf am Morgen danach noch brummt, nachdem der Schädel erst mit schmückenden Substantiven und schmucken Substanzen geflutet wurde, um sich dann den Rest des Vergessens an der unbekannten Bettkante zu stoßen, von der wir immer öfter fliehen, bevor sich der Tabakrauch der Nacht verzieht.
Unendliche Rekombinierbarkeit sucht nach Teilen, die sich ineinander drücken lassen, doch die polymorphen Gestalten scheinen auch uniformiert nie zu passen. Ein Genuss der Verzweiflung darüber und der Beschluss, wie gut es doch gefällt. Reflexionssucht in Badezimmerspiegeln, doch wer ist diese unbekannte Gestalt hinter meinem müden Gesicht? Ich habe Augenringe und
Knutschflecken und nie war meine Kriegsbemalung schöner. Unsere Lippen sind zerbissen vom Körperzueinanderbringen und unserer akademischen Angst, sind bissig als Resultat unserer juvenilen Enttäuschung und der Anstrengung gegen
das eigene Abrücken. Unsere Körper Knochen und Steine und wir knirschen mit den Zähnen, wenn wir denn mal schlafen.
Wir sagen Ja zu all dem, weil wir Bock haben. Wir sagen Nein zu all dem, weil wir uns wie immer abgrenzen wollen bis zum Grad des Alleinstellungsmerkmals, aber bloß nicht aus dem Geschehen heraus. Wir rechtfertigen und erklären uns,
überdenken uns, zerstören und verbessern uns. Vielleicht, ja, wird alles anders, aber vielleicht, nein, noch nicht heute.
Generation Maybe, du alter Motherfucker, wir sind ein Aufriss und Ausriss urbanen Größenwahns, eine völlig überzogene Begrifflichkeit für ein Randphänomen der zusammengeführten Außenseiter.
Wir sollten dringend mal anfangen, klarzukommen, entweder sowas von drin oder endlich mal raus, ja oder nein. Aber Kompromisse sind der beste Weg, um alle Beteiligten unglücklich zu machen.

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1 Comment

  • Reply
    Jörg Schubert
    24. Juli 2015 at 12:27

    Freu mich über die Verwendung meines Bildes. LG Jörg

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