Maybegenerationmaybe
das Leben ist kein Ponyhof
Herzklopfen

Das Leben ist kein Ponyhof

Als ich nach Hause wankte, heute Morgen mit Grauen, wusste ich noch genau, wie ich diesen Text beginnen muss. Vielleicht mit dem klassischen: Es war einmal… Vielleicht aber auch mit: Damals, als du…
Jetzt sitze ich hier, starre auf die leeren Seiten meines Notizbuches und bilde mir ein sie schreien mich an, so leer sind sie. Leer wie das Glas, das ich dir vorhin auf die Theke stellte. Leer, wie mein Kopf.

Ich habe gerechnet, mit allen Fingern an meinen Händen abgezählt, wie lange es her ist, dass wir uns gesehen haben. 4 Wochen. Exakt, 4 Wochen. Auf den Tag genau. Dabei waren sich mein Bauchgefühl, meine Antennen und mein Verstand so sicher, dass du heute nicht da sein würdest.
Im Augenwinkel sehe ich deine Gestalt, ohne zu wissen, dass wirklich du es bist und denke mir: beau. Dann starre ich plötzlich in das entsetzte Gesicht meines Gegenübers und realisiere. Frage trotzdem: Warum? Und erhalte als Erklärung: Dreh dich jetzt bloß nicht um!
Wie ein rohes Ei behandeln sie mich. Bin ich das? Bin ich so zerbrechlich?

Der Abend kommt ins Rollen, mein Wagen saust mal hochhinaus, mal tiefhinunter, dann geht es in den Looping. Arroganz erfüllt den Raum. „Alles Unterschicht hier und die dort drüben arbeiten bestimmt auf dem Bau.“ höre ich ihn sagen und mir reißt der Geduldsfaden. Ich entgegne etwas und bekomme als Antwort: „Mit ner‘ Zahnspange könnte man aus dir auch noch so einiges rausholen.“ Ich fühle mich irgendwie, wie bei Germany’s next Topmodel und würde dir das gern erzählen, lachend über die Absurdität der Situation, mit meinem Zeigefinger petzend auf das Arschloch zeigend, was mich gerade fühlen lässt, als wäre ich in meiner Unperfektheit nicht gut so, wie ich bin, obwohl ich doch zu mir stehe, wie ein Fels in der Brandung. Aber du stehst hinter der Bar, irgendwo, oder sammelst Gläser ein, irgendwie. Vielleicht auch gleich meins, denn es ist schon wieder halb leer.

Drängeln, Schubsen, Tanzen, neben der Bar. Ich vermeide sie, aber irgendwie treffen sich unsere Blicke trotzdem. Du schenkst mir ein gequältes Lächeln. Ich will es nicht, aber einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul, sagt mir mein Kopf und ich erwidere: Ja genau, das Leben ist kein Ponyhof, aber geritten wird immer. Plötzlich stehst du vor mir, drückst mich so halb. Halbherzig, wie nie zuvor und fragst mich, wies mir geht. Ich mutiere zum Roboter und antworte automatisch, wie die Ansage in der Straßenbahn: „Gut, gut geht’s mir. Und dir?“ Quäle mir ein Lächeln auf die Lippen, wie du es tatest. Ich hoffe du konntest mit meinem genauso wenig anfangen, wie ich mit deinem. Ob du mir das abkaufst, frage ich mich. „Gut.“ sagst du, mit deinen tiefen Augenringen unter den Augen und ich bilde mir ein, dich noch nie so verbraucht gesehen zu haben.
Du gehst. Ich stehe. Sage meiner Umwelt, dass ich das Ganze erstmal kurz „processen“ muss. Versuch die Normalität zu finden, finde sie aber nicht, denn die tanzt sich heute wahrscheinlich in einem anderen Schuppen die Füße wund. Wie gelähmt latsche ich von dannen und es fängt wieder an zu rattern.
Ich werde nicht mehr glücklich an diesem Abend. Stelle mir vor, wie du mich sonst immer angesehen hast. Rate einem 18 Jährigen auf dem Raucherhof sein Tanz-Goldabzeichen zu machen, denn dann könnte er Frauen über den Dancefloor wirbeln, wie du mich durch meine Wohnung. Wir begegnen uns an diesem Abend noch oft par accident. Du wirkst angespannt, wenn du mich siehst. Ich bin es.
Es ist spät. Ich stolpere aus dem Club und weiß, dass ich jetzt unseren Weg gehen will, den wir so oft gemeinsam gingen, meistens im Dunkeln. Der Himmel lacht mich an mit seinen Pastel-Watte-Wölkchen und ich denke an dich, denke an die Momente, die ich gern mit dir teilen würde, denke an die Normalität und verfluche ihre Abwesenheit, laufe nach Hause, höre Damien Rice und frage mich dann, wie es jetzt wäre, wenn du hier sitzen würdest, neben mir, auf der Fensterbank, rauchend und wartend auf den Fleischwursttoast im Ofen.

You Might Also Like...

No Comments

Leave a Reply